Programmatic Marketing – Eine kritische Betrachtung
Warum Programmatic Marketing ein fundamentales Umdenken im Marketing erfordert
Programmatic Marketing (PM) ist das Trendthema im digitalen Marketing. Doch was ist das wirklich Neuartige und Besondere daran? Normalerweise wird die damit einhergehende Diskussion sehr technisch geführt. Aus Sicht des strategischen Marketings ist der zentrale Aspekt von Programmatic Marketing eine individualisierte und in sich konsistente Ansprache von Konsumenten durch verschiedene massenmediale Touchpoints. Das klingt einfach, ist es aber nicht.
Mit Programmatic Marketing können Werbetreibende zwei zentrale Ziele erreichen: 1. Ihre Werbung wird für den Konsumenten zu einem zielgerichteten und positiven Erlebnis. 2. Sie können den ROI ihrer Werbeinvestitionen nach oben schrauben. Dazu bedarf es aber einer umfassenden Data Intelligence als Fundament für ihre Programmatic-Marketing-Maßnahmen.
Individualisierte Kommunikation in Echtzeit ist das Credo des modernen Marketings
Der Konsument von heute ist zunehmend vernetzt. Neben den klassischen Offlinekanälen gehören Laptop, Tablet, Handy, Wearable (z. B. Fitness Tracker) und Co. zu den Kanälen, über die Marken mit ihren Zielgruppen kommunizieren und Informationen über ihre Nutzer unter Berücksichtigung des Datenschutzes sammeln können. Hinzukommen Offline-Touchpoints, die über Smartphones gesammelt werden können. Werbetreibende wissen dann zum Beispiel, wann welcher Kunde sich in welchem Bereich des Geschäfts wie lange aufgehalten hat. Individualisierte Kommunikation in Echtzeit ist also berechtigterweise
das Credo im digitalen Marketing. Dabei heißt Individualisierung nicht, dass jeder Konsument zwangsläufig eine andere Nachricht erhält. Es heißt, dass für jeden User individuell geprüft wird, ob er zu einer der relevanten Zielgruppen gehört und welche Nachricht dieser User erhalten soll. Gleichzeitig entsteht an jedem Touchpoint, bei jeder Interaktion ein Datenpunkt, der – wenn richtig gemessen, integriert und analysiert – die weitere Basis für die Individualisierung von Kommunikation bildet. Quasi als Erweiterung von Programmatic Advertising verfolgt Programmatic Marketing somit einen ganzheitlichen Ansatz: Dem differenzierten Informations- und Kommunikationsverhalten der Konsumenten wird so begegnet, dass alle digitalen Touchpoints
miteinander verknüpft werden, um ein individuelles und in sich konsistentes Storytelling zu ermöglichen. Dazu gehört beispielsweise die erste individualisierte Ansprache eines bis dahin noch „unbekannten“
Konsumenten durch ein dynamisches Display-Banner. Dies ist dadurch möglich, dass statistische Zwillinge für bestimmte User gebildet werden und somit Individualisierung möglich ist, auch wenn First-Party-Information fehlen.
Zudem werden dynamische Landingpages angeboten, die an den Charakteristika und Interessen des jeweiligen Konsumenten ausgerichtet sind. Offlinedaten können zum Beispiel mit Hilfe der WiFi-Technologie integriert werden. Wenn ein Konsument eine Filiale des Werbetreibenden besucht und sich dort in einem Bereich aufhält, in dem spezielle Produkte zu finden sind, kann sein Smartphone über WiFi-Technologie erkannt werden. So gewonnene Rückschlüsse auf seine derzeitigen Präferenzen und Kaufintentionen können dann zur weiteren Individualisierung der Kommunikation verwendet werden.
Ganzheitliches Programmatic Marketing macht ein fundamentales Umdenken bei Werbetreibenden und Agenturen erforderlich
Das übergeordnete Ziel von Programmatic Marketing ist, dem Konsumenten ein konsistentes Kommunikationserlebnis entlang seiner Customer Journey über alle digitalen Touchpoints hinweg zu bieten. Die sich daraus ergebenden Möglichkeiten der werblichen Kommunikation scheinen entsprechend fast unbegrenzt – in der Praxis werden allerdings die Möglichkeiten nur unzureichend ausgeschöpft. Das hat verschiedene Ursachen. Ein ganzheitliches PM bedeutet einen Paradigmenwechsel im Marketing, was ein fundamentales Umdenken bei den Werbetreibenden und in den Agenturen erforderlich macht. In der Regel wird die Vielschichtigkeit des Konsumentenverhaltens nicht vollständig berücksichtigt, sondern auch die potentiell vielversprechenden Kanäle werden mit alten, eindimensionalen Konzepten bedient. Das Denken in Silos ist immer noch fest verankert. Es wird also isoliert in den jeweiligen Kanälen Display, Social, E-Mail etc. gedacht und agiert. Die Vernetzung oder Integration von zusätzlichen Datenquellen wie z. B. CRM-Systemen ist in den seltensten Fällen konsequent umgesetzt.
Offlinesegmentierung ist online meist nicht zielführend oder sogar abträglich
Weiterhin ist es so, dass eine etablierte Form der Operationalisierung von Zielgruppen aus der analogen Ära stammt, in der seit Jahrzehnten zentral in Umfeldern gedacht werden musste. „Musste“ daher, da keine Daten zur Verfügung standen, um Zielgruppen differenziert zu erreichen. Es liegen keine Informationen darüber vor, wer im Einzelfall eine Zeitschrift aufschlägt und welche Konsumenten welchen TV-Spot genau gesehen haben. Damit einhergehend ist außerdem unbekannt, welche Informationen die jeweiligen Konsumenten charakterisieren, z. B. welche Interessen sie haben. Aus dieser „blinden“ Struktur kommt die Logik, soziodemografisch zu segmentieren und zu targeten, selbst wenn man sich in der digitalen Welt bewegt. Männlich, zwischen 35 und 45, Akademiker, HH-Nettoeinkommen 2.500 bis 4.000 Euro usw. Durch diese Operationalisierung wird das theoretische Konstrukt der Zielgruppen zwar greifbar, also auch ansprechbar und das Verständnis von Zielgruppen wird für manche erleichtert, allerdings ist es für das präzise Targeting in der Regel nicht zielführend und oft sogar abträglich. Trotzdem ist diese Form der Operationalisierung der Status quo.
Die zentrale Voraussetzung für erfolgreiches Programmatic Marketing ist eine fundierte Data Intelligence
Der zentrale Nachteil dabei ist, dass Zielgruppen lediglich statisch und unpräzise und damit einhergehend mit signifikanten Streuverlusten erreicht werden. Es werden die konstanten, eine Person von außen beschreibenden Faktoren herangezogen. Allerdings sagt dies noch nichts über die konkreten Interessen und daraus abgeleitet die Kaufintentionen der Konsumenten aus: Selbst, wenn zwei Individuen aus der identischen soziodemografischen Zielgruppe gerne reisen, zieht es den einen vielleicht in ein Luxuressort in der Karibik, der andere bevorzugt eine Wandertour in Skandinavien. Das sich daraus ergebende Konsumverhalten ist so unterschiedlich, dass der eine nie auf die Werbung reagieren wird, die für den anderen perfekt passt. Hinzu kommt, dass sich die Interessen der Konsumenten dynamisch verändern, da sie im Laufe des Jahres hunderte von Customer Journeys durchlaufen. Aber wenn der Kaufentscheidungsprozess abgeschlossen ist, ist der Konsument (vorerst) für diese Werbung nicht mehr erreichbar, das heißt, er wird nicht erneut konvertieren. Die zentrale Voraussetzung für erfolgreiches Programmatic Marketing ist somit eine fundierte „Data Intelligence“. Diese bezieht sich einerseits auf die Herausforderung, Daten richtig zu sammeln, einzukaufen, zu aggregieren und intelligent zu verwenden. Eine zentrale Data Intelligence bedeutet aber auch, dass ganz oben in den Marketingabteilungen und in der Unternehmensleitung umgedacht werden muss und das Zielgruppenverständnis und die damit einhergehende Operationalisierung noch einmal ganz neu konzeptualisiert werden sollte.
Ein erfolgreiches, ganzheitliches Programmatic Marketing muss sich also auf folgende wesentliche Aspekte fokussieren:
- Ein tiefgehendes, richtiges Verständnis der Zielgruppen, gefolgt von einer präzisen, interessenbasierten Operationalisierung
- Die konsistente Ansprache der Konsumenten entlang der verschiedenen Kanäle
- Die Adaption der Nachricht an individuelle Charakteristika der Cookies sowie an deren bisherige Interaktion mit der Marke
Programmatic Marketing als informationsgenerierender Kreislauf